Hallo, ich heisse Henry Nowakowski. Lass mich dir meine Lebensgeschichte erzählen.

  • Gerechtfertigt (von Gott gerecht gesprochen) sind wir durch den GLAUBEN, nicht durch die Taufe, noch durch irgendwelche andere Sakramente irgendwelcher Kirche, noch durch irgendwelche Werke, sondern allein durch den Glauben, indem wir glauben.

    Henry Nowakowski

Am 18. August 2012 habe ich meinen 75. Geburtstag gefeiert. Geboren wurde ich zwei Jahre vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Wie jeder andere auch, so konnte ich nicht bestimmen, wann, wo und von wem ich geboren werde. Nein, der Schöpfergott hat diese Dinge für mich entschieden. Er war es, der entschied, dass ich Mitte August 1937 als Sohn von John und Nellie Nowakowski in Vermilion, Alberta, Kanada geboren wurde, und nicht in Australien, Afrika oder Algerien. In der Tat, wenn meine Grosseltern beiderseits nicht in den späten 1800er-Jahren, genauer um 1897) aus Polen nach Kanada ausgewandert wären, so könnte ich in Polen geboren sein. Es war jedoch der Schöpfergott, der mir John und Nellie Nowakowski als meine Eltern zugeteilt hat, die zur ersten Generation der Nowakowski-Sippe in Kanada gehörten, von Beruf Bauern.

Und so begann mein Leben im ländlichen Alberta mit zwei älteren Brüdern, John und Peter, welche beide inzwischen verstorben sind; und zwei jüngeren Schwestern, Gloria und Agnes, die beide noch leben. Das war meine erste Geburt. Es würde noch viele Jahre dauern, bis ich meine zweite Geburt, die Geburt von oben – meine geistliche Geburt – erlebte. In der Tat geschah dies erst in meinem 45. Lebensjahr. Vor diesem folgenreichen, wunderbaren und lebensverändernden Ereignis geschah vieles. Lassen Sie mich einige wichtige Details erzählen.

Ich wurde in eine fromme römisch-katholische Familie hineingeboren. Meine Familie praktizierte ihren römisch-katholischen Glauben mit Fleiss. Meine Eltern arbeiteten sehr hart, hatten aber nur wenig Schulbildung. Mein Vater, John Senior hatte die Schule nach 4 Jahren verlassen, meine Mutter kam immerhin auf das Doppelte und schloss die Schule nach der 8. Klasse ab. Ich rechne es meinen Eltern hoch an, dass sie trotzdem grossen Wert auf die Bildung ihrer Kinder legten.

Soweit ich mich erinnere, brauchten wir die Bibel für die Ausübung unserer Religion so gut wie gar nicht. Wir hatten eine Familienbibel im Haus, aber sie wurde selten gelesen. Taufen jedoch wurden ordnungsgemäss darin aufgezeichnet. Nein, unsere Andachten drehten sich hauptsächlich um das Rezitieren von auswendig gelernten Gebeten; Morgengebete, Gebete vor den Mahlzeiten, Gebete nach den Mahlzeiten, Busswerke und abends natürlich das Rosenkranzgebet mit der ganzen Familie. Wir lebten nach dem Motto: „Eine Familie, die zusammen betet, bleibt zusammen.“

Der Besuch der Messe an Sonntagen und Feiertagen war eine feste Gewohnheit, es sei denn, starker Schnee oder Blizzards hinderten uns daran. Auch da waren die religiösen Handlungen routinemässig, eintönig und fremd, wurden sie doch damals noch in Latein durchgeführt. Die Lesung des Evangeliums jedoch geschah in Englisch und die Predigt wurde in der jeweiligen Mundart gehalten.

Als Schlüsselelement meiner religiösen Erziehung und Ausbildung lernte ich, niemals Autoritäten in Frage zu stellen, besonders nicht die kirchlichen. So war denn der Pfarrer ein Mann Gottes; der im Namen des Bischofs handelte, welcher seinerseits im Namen des Papstes handelte, des „Heiligen Vaters“, des „Stellvertreters Christi“; der unfehlbar war und in Glaubens- oder Moralfragen nicht irren konnte. Wenn unser Priester sprach, war es, als wenn Gott selbst redete. Später, als ich die unfehlbare Offenbarung Gottes studierte – Sein heiliges Wort – lernte ich, dass der wahre biblische Stellvertreter Christi kein blosser Mensch war, sondern Gott selbst in der Person des Heiligen Geistes – der Dritten Person der Dreieinigkeit.

Dies war also das religiöse Erbe, das ich von meinen Vorfahren empfangen habe, die es ihrerseits so empfangen hatten, und diese Kette durfte kein Nowakowski je brechen. Mit diesem Erbe wurde ich indoktriniert. Gegen Beeinflussung ist nichts einzuwenden, wenn sie die Wahrheit vermittelt, aber wenn sie Falsches einprägt, ist sie tödlich.

Die Zeit im Priesterseminar

Während ich aufwuchs, war ich, was Sie einen braven Jungen nennen würden, fast immer gehorsam, liebevoll und freundlich, etwas zurückgezogen, durchschnittlich intelligent, aber kein Intellektueller. Obwohl ich fleissig lernte, erreichte ich nur durchschnittliche Noten. Von der neunten bis zwölften Klasse besuchten meine beiden älteren Brüder und ich ein katholisches Internat. Als ich mit der zehnten Klasse begann, wechselte John Junior, mein ältester Bruder in das Diözesanseminar St. Joseph in Edmonton. Dank der Förderung durch einen örtlichen Priester und dem Unterricht der Schwestern von St. Joseph in unserem Gymnasium traten ein anderer Klassenkamerad, Phil Müller und ich in dasselbe Diözesanseminar ein. Das war ein Jahr nach der Highschool. Zwischenzeitlich arbeitete ich ein Jahr auf dem Bauernhof der Familie und unterstützte meinen Vater.

Was ich im Priesterseminar erlebte, war Selbstverleugnung, Routine, auswendig gelernte Gebete und Übungen, die uns zu brauchbaren Klerikern machen sollten. Mit anderen Worten: Ich wurde so geformt, dass ich fähig sein sollte, durch die Riten der römischen Kirche die Gnade Gottes zu vermitteln, hauptsächlich die Sakramente, wobei das Messopfer und die Eucharistie als die erhabensten galten. Ich sollte Taufen durchführen, Eheschliessungen begleiten und die Begräbnisse in meiner zukünftigen Pfarrei leiten können.

In den ersten beiden von insgesamt sechs Ausbildungsjahren lag der Schwerpunkt auf dem Studium der Philosophie, insbesondere Aristoteles und dessen Schüler. Vielleicht fragen Sie sich: „Warum studiert man in einem katholischen Seminar die Philosophie der heidnischen griechischen Philosophen?“ Das wäre eine gute Frage. Wir müssen dabei wissen, dass Thomas von Aquin „der Theologe“ der römischen Kirche war und immer noch ist. Er war einer der brillantesten Männer, die je gelebt haben. Genial zu sein macht dich jedoch nicht weise, biblisch gesprochen.

Thomas von Aquin lebte um 1200 n. Chr. In der Auseinandersetzung mit dem Islam begann er, eine Philosophie / Theologie zu entwickeln, die mehr auf dem Verstand gründete als das emotionale Gedankengut, das die damalige Kirche prägte. Deshalb nahm er den Rationalismus von Aristoteles als seine Grundlage. Woher kann die Lehre von der Transsubstantiation kommen, wenn nicht von Aristoteles? In unserem Priesterseminar wurde während dieser zwei Jahre kaum Wert auf das Studium von Gottes Wort gelegt. Ebenso wenig lernten wir die Originalsprachen der Bibel, Griechisch und Hebräisch.

Die nächsten vier Jahre waren dem Studium der römisch-katholischen Theologie gewidmet, was soviel hiess wie Kirchenlehre, Dogmen, Kanonisches Recht, Ethik, das Studium der Enzykliken der Päpste – sowohl frühere wie aktuelle – und katholische Soziallehre. Auch jetzt lag der Fokus nicht auf der Bibel; sie belegte nur den zweiten und dritten Platz auf der Prioritätenliste. Oh, stimmt, auch Kirchengeschichte haben wir studiert, aber immer aus der Perspektive der römischen Kirche. Mit anderen Worten, sehr voreingenommen, keineswegs transparent. Ich gebe jedoch zu, dass es auch biblisch fundierte, solide Studien gab, wie diejenige über die Dreieinigkeit.

Angenommen, ich hätte irgendwann während meiner Priesterausbildung einem meiner Professoren die Frage des Gefängniswärters von Philippi gestellt: „Was muss ich tun, um gerettet zu werden?“ (Apostelgeschichte 16,30), hätte er eher mit den Formulierungen der römisch-katholischen Kirche geantwortet als mit den Worten des Apostels Paulus. Im Epheserbrief hat er sie so wiederholt: „Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme“ (Eph 2,8-9).

Die Antwort meiner Professoren hätte wahrscheinlich gelautet: „Du musst tun, was die 'Mutter Kirche' verlangt. Als erstes musst du als Säugling getauft worden sein, denn dadurch werden alle Flecken der Erbsünde beseitigt; dann musst du die anderen passenden Sakramente der Kirche empfangen; du musst Gutes tun, du darfst nichts Böses tun; und wenn du im Moment des Todes im Zustand der Gnade bist, wie wir ihn definieren, wirst du zur Belohnung in den Himmel kommen.“

Katholizismus versus Christentum

Es ging immer um das, was man tun musste, wie es auch alle anderen falschen Religionen es vorschreiben und predigen. Man konnte nur gerecht werden durch das, was man tat. Die wahre Religion fügt dem Wort „tun“ zwei Buchstaben hinzu und verändert es zu „GETAN“.

Jesus, der Messias, der Gottmensch hat alles getan. Als Jesus am Kreuz von Golgatha starb, rief er: „Es ist vollbracht“ (Johannes 19,30b), was bedeutet, dass alles erfüllt ist. Alles, was es brauchte, um die Menschen zu erlösen, war vollständig vollendet. Jesus Christus ist der vollkommene Erlöser, und das zu leugnen ist ketzerisch. Zu sagen, dass er Hilfe benötige, oder dass ein Miterlöser notwendig sei, ist nicht nur ketzerisch, sondern auch götzendienerisch und gotteslästerlich.

Mit der schlechten Theologie, mit der ich von meiner frühesten Kindheit an bis zu meinen Ausbildungsjahren geprägt worden war, musste ich die ersten etwa vierzig Lebensjahre leben, ständig frustriert, ständig bestrebt – bemüht – belastet, ohne je Gewissheit zu haben, wirklich erlöst zu sein. Um dies zu belegen, mache ich einen Exkurs: Vor etwa zwei Jahren machte ich mit sechs anderen aus der evangelischen christlichen Kirche, zu der meine Frau und ich gehören, eine Missionsreise in die Republik Irland. Wir verbrachten zwei Wochen in County Mayo bei den Missionaren Larry und Kathy Dunn. Larry, ein ehemaliger Fischer, hat bei einem Fischereiunfall seine rechte Hand verloren und wirkt jetzt als Menschenfischer in seiner Heimat. Er war Katholik gewesen und hatte das biblische Evangelium bei der Predigt eines Strassenevangelisten in Dublin gehört und angenommen. Nun gingen wir also in diesem überwiegend katholischen Land von Tür zu Tür. Eine unserer Hauptfragen lautete: „Hast du volle Sicherheit, dass du für immer errettet bist?“ Niemand, aber wirklich niemand gab eine Antwort dieser Art: „Ich weiss, dass ich für immer bei Gott im Himmel sein werde, denn ich habe mein Vertrauen auf Christus und auf Ihn ALLEIN gesetzt: durch sein vollkommenes Leben und seinen Tod am Kreuz hat er die Strafe für meine Sünden bezahlt und Seine eigene Gerechtigkeit auf mich übertragen.“ Nein, die meisten antworteten, wenn überhaupt: „Ich hoffe es.“ Eine feste Gewissheit klingt anders!

Zum Priester geweiht

Nach sechs Jahren war mein Studium am Priesterseminar abgeschlossen. Am 1. Juni 1962 wurde ich zusammen mit mehreren Klassenkameraden von Erzbischof Anthony Jordan (OMI) in der St. James Pfarrkirche von Edmonton zum Priester ordiniert. Die Domkirche St. Joseph wurde in dieser Zeit renoviert, daher der Ortswechsel. Meine erste Messe feierte ich am nächsten Tag in meiner Heimatkirche, St. Columba in Clandonald, Alberta, Kanada. Wie der Name verrät, war meine Heimatregion ursprünglich von den Schotten besiedelt worden, dicht gefolgt von irischen Einwanderern. Obwohl ich polnischer Herkunft bin, wuchs ich in dieser Gemeinschaft auf, die zu jener Zeit ethnisch gemischter war. Ich muss sagen, es waren freudig-feierliche Anlässe für alle Beteiligten, besonders für die Familienmitglieder.

Die erste Zeit meines aktiven Dienstes war steinig. Nicht lange nach meiner Entsendung in die Stadt Vegreville als Hilfspriester erkrankte ich an Hepatitis. Die nächsten sechs Monate sah ich das Krankenhaus mehrmals von innen. Schliesslich stellte ein Spezialist in Edmonton die Diagnose: Gilbert-Syndrom. Wie war ich glücklich, als ich hörte, dass diese Leberstörung nicht lebensbedrohlich sei.

Soweit ich während dieses ersten Dienstjahres dazu in der Lage war, übernahm ich die Versorgung einer Missionskirche in der Stadt Mundare, etwa zehn Meilen von Vegreville entfernt. In dieser Ortschaft lebten sehr viele Ukrainer, die natürlich ihre eigene griechisch-katholische Kirche hatten. Eine viel kleinere Bevölkerungsgruppe in Mundare stammte aus Polen. Der Erzbischof dachte, ein Mann mit einem Nachnamen wie meinem wäre die ideale Besetzung. Leider verstand ich aber nur sehr wenig Polnisch. Ich fand es aufschlussreich, wie hingegeben diese polnischen Leute sich ihren Relikten, ihrem Rosenkranz, ihren Statuen und besonders ihrer „Maria“ widmeten. Tatsächlich gab es auf dem Pfarreigelände eine Grotte, die Maria gewidmet war, mit Statuen in Hülle und Fülle. Der parkähnliche Aussenbereich wurde von den Stationen des Kreuzwegs abgeschlossen. Jedes Jahr am 15. August, dem Fest von Mariä Himmelfahrt, drängten sich bei jedem Wetter Hunderte Pilger von nah und fern, um Maria die Ehre zu geben, zu beichten, die Kommunion zu empfangen und an anderen Aktivitäten teilzunehmen.

Den ganzen Tag und bis in die Abendstunden wurde in polnischer Sprache gepredigt. All das spielte sich draussen ab, so dass Regen immer eine Bedrohung darstellte. Viele dieser Menschen traf man sonst nur an Weihnachten und Ostern in der Kirche an, aber an Mariä Himmelfahrt kamen sie zuverlässig zur Skaro-Grotte. Sie glichen dem Katholiken, der die Kirche nur dreimal besucht: bei der Geburt, bei der Hochzeit und bei der Beerdigung. In vielerlei Hinsicht hatte dies alles den Charakter eines Jahrmarkts, das Gelände war von Marktständen umgeben, die Leute verkauften ihre Waren, seien es Statuen, Rosenkränze, billigen Schmuck oder irgendwelche Neuigkeiten. Auch Flaschen mit Weihwasser von Lourdes wurden zum Kauf angeboten. An goldene Kälber, wie sie Moses erblickte, als er vom Berg Sinai herunterstieg, mag ich mich allerdings nicht erinnern. In diesem kurzen ersten Jahr habe ich mehrere Begräbnisse in der polnischen Gemeinde geleitet. Auch viele Jahre später erinnere ich mich lebhaft an das Weinen und Wehklagen an den Gräbern. Diese armen, irregeleiteten Menschen lebten noch im Dunkeln und trauerten wie die, die keine Hoffnung haben. Und so waren sie auch ... ohne Hoffnung. Diese Schafe waren wirklich blind, aber genauso blind war auch ihr unerfahrener Hirte.

Bereits ein Jahr nach meiner Ordination erhielt ich einen anderen Dienst zugewiesen, diesmal in einer städtischen Gegend. Die wohlhabende Pfarrei St. Anthony lag im Süden von Edmonton. Ich war nach wie vor Hilfspriester. Der Hauptpriester hiess Monsignore Foran und er war bekannt als frustrierter Bischof. Er führte ein strenges Regiment und schärfte den beiden Hilfspriestern, Pater Larry Bonner, dem Kaplan des Universitätsklinikums und der Haushälterin ein: „Was auch immer im Pfarrhaus geschieht, wird nicht aus dem Pfarrhaus hinausgetragen.“ Der Monsignore gönnte sich Laster wie Fresssucht und Fernsehen rund um die Uhr. Seine Lieblingsbeschäftigung waren Pferdewetten, und Mary, die Haushälterin, half ihm, indem sie jeden Morgen die Strasse hinunterging und „Monsiers“ Wetteinsatz für die Nachmittagsrennen im Wettbüro abgab. Den Monat Januar verbrachte er mit seinem Priesterfreund Bert O'Brien im Süden. Dort konnte er die Pferderennen besuchen, ohne dass ihn jemand erkannte. Er war für uns jüngere Priester ein eindrückliches Beispiel. Kein Wunder, wollte er nicht, dass etwas aus dem Pfarrhaus hinausgetragen wurde, was sich dort abspielte.

Einfluss des II. Vatikanums auf das Priestertum

Zu Beginn der 1960er Jahre geschah viel Wichtiges, der amerikanische Präsident wurde ermordet und das zweite vatikanische Konzil wurde einberufen. Dieses Konzil hat viel dazu beigetragen, dass die katholische Welt aufwachte. Veränderung stand bevor: Die Liturgie sollte in den jeweiligen Volkssprachen zelebriert werden, Priesterkonferenzen sollten stattfinden, und dass man Autoritäten innerhalb und ausserhalb der Kirche offen in Frage stellte, wurde zum Merkmal jener Zeit. Das Zölibat wurde in der Kirche zum Thema, zumindest in Westkanada. Immerhin war der erste so genannte Papst verheiratet, warum sollte man also einem einfachen Priester nicht erlauben, eine Ehefrau zu haben? Viele aus meiner Erzdiözese haben diese Angelegenheit in ihre eigenen Hände genommen und als Folge davon gab es einen Exodus von Klerikern aus unserer Erzdiözese.

Johannes XXIII. wollte frische Luft in die abgestandene Institution Kirche einlassen, also öffnete er ein Fenster. Doch es kam mehr herein, als gewünscht war, und so schlugen seine Nachfolger das Fenster schnell wieder zu. Das Resultat der Veränderungen und Umbrüche innerhalb der „Mutter Kirche“ kann man mit einer Neuordnung der Liegestühle an Bord der Titanic vergleichen. Das Schiff sank trotzdem weiter und ging schliesslich unter. Die Beschlüsse des Konzils von Trient wurden nicht revidiert. (Dieses Konzil wurde am 13. Dezember 1545 eröffnet und am 4. Dezember 1563 geschlossen. Es verabschiedete unter anderem das Dekret über den Ablass.) Damals wurde das Schicksal der Institution „römisch-katholische Kirche“ besiegelt. Das Konzil von Trient griff das Herzstück des wahren biblischen Evangeliums an, indem es erklärte, dass der Glaube an Jesus Christus nicht genüge um erlöst zu werden. Weiter erklärte das Konzil, Christus sei nicht der vollständig genügende Retter; und mit seinem vollkommenen Leben und seinem Sühnetod am Kreuz von Golgatha habe er nicht alles vollbracht, was für die Erlösung notwendig war. Sie erklärten jeden für ausgeschlossen, der diese „ketzerischen“ Überzeugungen teilt. (Das Konzil formulierte es so:

„Wer behauptet, der rechtfertigende Glaube sei nichts anderes als das Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit, die um Christi willen die Sünden nachlässt, oder dieses Vertrauen allein sei es, wodurch wir gerechtfertigt werden, der sei ausgeschlossen.“ (Neuner-Ross, Der Glaube der Kirche in den Urkunden der Lehrverkündigung, Verlag Friedrich Pustet, Imprimatur 1971, S. 515, §830). Um gerettet zu werden, behaupteten sie, müsse man seine guten Werke hinzufügen; doch dies widerspricht der Heiligen Schrift völlig. Mutter Teresa brachte katholische Einstellung auf den Punkt, als sie diese berühmten Worte aussprach: „Jesus hat 95% der Arbeit gemacht; ich muss die verbleibenden 5% übernehmen.“ Nein, Mutter Teresa, Sie irren sich. Jesus hat 100% der Arbeit geleistet. Man kann sich die Erlösung nicht verdienen; sie ist ein Geschenk. Ein Geschenk kauft man nicht. Ich verweise meine Leser noch einmal auf Epheser 2,8-9. Es ist aus lauter Stolz, dass der Mensch etwas tun will, um das zu verdienen, was nicht verdient werden kann.

Überlegungen eines katholischen Priesters

Was also hat das Konzil, das als Zweites Vatikanum bekannt war, gebracht, abgesehen von dem ganzen Wirbel, dem Pomp und allem Drum und Dran? Bei mir persönlich hat es vieles ausgelöst. Es hat bewirkt, dass ich anfing, Autoritäten in Frage zu stellen. Noch forschte ich nicht in Gottes Wort, um herauszufinden, ob es mit der Lehre und Praxis der Kirche übereinstimmt. Das ergab sich erst später, nachdem ich die Institution Kirche verlassen hatte. Ich erinnere mich an einen Zeitpunkt Mitte der 1960er Jahre, wo ich aufhörte, den Rosenkranz zu rezitieren. Man muss dem Konzil zugute halten, dass es Maria eine ausgewogenere Rolle gab, eine weniger erhabene. Dies hielt jedoch nur ein Jahrzehnt an, bis der erste polnische Papst sein Amt antrat. Er rehabilitierte sie und gab ihr sogar noch höhere Ehre, als sie vorher hatte. Ich habe dies hautnah miterlebt, als ich den Wallfahrtsort Knock in Irland besuchte, wo Maria angeblich 1879 erschienen war. Wie reagierte Moses, als er entdeckte, dass die Israeliten das goldene Kalb verehrten? Mit welchem Grund hätte er 1972 mit den Menschen in Knock anders handeln sollen, die hinter einer überlebensgrossen Marienstatue her marschierten und sich in jenem grossen Saal vor ihr verbeugten, als der Rosenkranz vorgebetet wurde?

Ich persönlich wurde in der zweiten Hälfte der 1960er und dann in den 1970er-Jahren immer mehr frustriert und desillusioniert. Wie bringt man zum Beispiel folgendes auf die Reihe? Während Jahrhunderten hat der Vatikan verkündet, das Essen von Fleisch an Freitagen sei eine Todsünde, die einen für alle Ewigkeit zum Höllenfeuer verdammen würde; aber dann erliessen sie aus heiterem Himmel eine Gegenerklärung, wonach dieser Verstoss jetzt kein Verstoss mehr war. Ich frage Sie: „Wie kann das sein?“ Grundsätzlich gibt es nur zwei Quellen für eine Erkenntnis: Kommt sie von Gott oder von Menschen?

Woher hat die römisch-katholische Kirche ihre Erkenntnis? Von Gott oder von Menschen? Wenn ihre Erkenntnis von Gott käme, würde sie mit Gottes Wort, der Bibel übereinstimmen. Tut sie dies? Sie tut es nicht. Also ist es willkürliche Erkenntnis, sie stammt von Menschen, von der Welt und letztendlich vom Teufel selbst. Moses schreibt: „... der HERR sah, dass die Bosheit des Menschen sehr gross war auf der Erde und alles Trachten der Gedanken seines Herzens allezeit nur böse ...“ (1. Mose 6,5). Immer mehr sah ich eine Ähnlichkeit zwischen der Hierarchie der römisch-katholischen Kirche und den Pharisäern der Zeit Jesu.

Vorbereitungen für den Abschied vom Priesteramt

In den frühen 70ern war ich bereit, den Stecker zu ziehen und zu gehen. Aber so einfach ist es nicht, das Priesteramt zu verlassen, man denke an die Beziehungen zu Familie, Freunden und vor allem Kollegen innerhalb des Klerus. Welch einen Skandal würde es auslösen! Obwohl ich nicht der erste war, hätte ich Schande auf meinen älteren Bruder gebracht, der treu und ergeben als gewöhnlicher Priester in einem grossen Krankenhaus als Seelsorger wirkte. Mir fehlte die innere Kraft, also blieb ich, wo ich war und liess mich treiben. Ich kannte auch die Wahrheit über das biblische Evangelium nicht. Ich war selbst verloren. Ich war blind. Ich konnte das Lied „Amazing Grace“ von John Newton nicht von Herzen singen: „O Gnade Gottes, wunderbar hast du errettet mich. Ich war verloren ganz und gar, war blind, jetzt sehe ich.“

Während meiner Priesterausbildung war ich Kadett in der kanadischen Luftwaffe gewesen; dreimal unterstützte ich während den Sommermonaten die Kaplane. Im Sommer 1961 war ich mit dem dritten Geschwader nach Deutschland entsandt worden. Dies öffnete mir nun eine Fluchtmöglichkeit. 1975 bewarb ich mich beim Seelsorgekorps der kanadischen Streitkräfte und wurde angenommen. Mein Erzbischof erteilte widerwillig seine Erlaubnis. In den nächsten drei Jahren bekam ich den Lohn eines Hauptmanns und konnte so einen kleinen Vorrat an Bargeld sammeln, als Überlebenshilfe, wenn ich in der realen Welt landen würde. Ich konnte mit Sicherheit keine finanzielle Unterstützung von den Institutionen erwarten, die ich bald verlassen würde, weder von der Institution der Kirche noch vom kanadischen Militär. Sie enttäuschten mich nicht; ich hatte nichts erwartet und ich bekam nichts.

Die Flucht

Nachdem ich jahrelang abseits der Welt gelebt hatte, verliess ich am 1. Juli 1978, dem kanadischen Nationalfeiertag, offiziell die Institution, in der ich seit etwa 22 Jahren aktiv war. Wie Abraham reiste ich zudem in ein fremdes Land. Ich zog nach Los Angeles, Kalifornien, um mein neues Leben zu beginnen.

Ich sehe den nächsten Lebensabschnitt als eine Zeit des Erwachens. Zu dieser Zeit war mein gesamtes Glaubenssystem total durcheinander. Was glaubte ich überhaupt? Ich war so ernüchtert und enttäuscht von meinen bisherigen Erfahrungen. Nun suchte ich den Sinn des Lebens in Metaphysik, Geisteswissenschaften und östlicher Meditation.

Ich musste mich jedoch auch mit anderen Dingen beschäftigen. Ich musste mich durchbringen und irgendeine Arbeit finden. Man fand mich bei Farmer John, wo ich Würstchen verpackte; und bei Forest Lawn, die Begräbnisgrundstücke zum voraus verkauften. Schliesslich entschied ich mich für Telemarketing und verkaufte am Telefon alles von Diamanten als Geldanlage bis hin zu Öl- und Gas Leasingverträgen. Überall wo ich war, fand ich Freunde. Insbesondere Leo Villela wurde mir ein enger Freund und Vertrauter. Wir haben an verschiedenen Projekten zusammen gearbeitet und er war es, der mich mit Dr. Walter Martin bekannt machte, dem „Bible Answer Man“ vom Radio. Dr. Martin war massgeblich daran beteiligt, dass ich schliesslich meine Sündhaftigkeit und mein Bedürfnis nach einem Retter eingestand.

Ich erkannte, dass alle meine guten Werke in Gottes Augen wie Dreck waren. Jesaja sagt es so: „Und alle unsere Gerechtigkeit [ist] wie ein beflecktes Kleid“ (Jesaja 64,6). So steht es im Alten Testament. Was ist mit dem Neuen Testament? Ist es ebenso hart? Ich fand die gleiche Wahrheit dort noch stärker ausgedrückt, nämlich im inspirierten Brief des Apostels Paulus an die Römer. Dieses Buch der Bibel wurde übrigens mein Lieblingsbuch. Mit dem Römerbrief beginnt der Lehrteil der neutestamentlichen Schriften. Paulus erklärt, was das Kommen des Messias bedeutet. Sein Leben und Sein Sterben. Und Seine Auferstehung. Aber was heisst das alles?

In seinem Brief an die Christen in Rom erklärt der Apostel, inspiriert durch den Heiligen Geist, all diese Dinge. Er beginnt mit dem Zustand jedes Menschen: Zum Tod verurteilt wegen der Sünde, zur Hölle bestimmt – die schlechte Nachricht. Lassen Sie uns das genauer anschauen. „Wie geschrieben steht: Es ist keiner gerecht, AUCH NICHT EINER; es ist KEINER, ... der nach Gott fragt. Sie sind ALLE abgewichen, ... da ist KEINER, der Gutes tut, da ist AUCH NICHT EINER!“ (Römer 3,10-12). Ich würde sagen, dass Jesaja im Vergleich dazu mild ist. Paulus fährt fort: „Denn ALLE haben gesündigt und verfehlen die Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten“ (Römer 3:23). Hier sah ich mich völlig verurteilt. Paulus lässt uns jedoch nicht an diesem Punkt stehen. Er gibt uns jetzt die gute Nachricht, das Evangelium. In Römer 5,1 beginnt die gute Nachricht. Ohne schlechte Nachrichten kann es gar keine guten Nachrichten geben. Paulus sagt:

„Da wir nun aus Glauben gerechtfertigt sind, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Römer 5,1).

Dazu zwei Bemerkungen: 1.) „aus Glauben gerechtfertigt“ steht im Griechischen in der Zeitform Aorist, die darauf hinweist, dass eine Handlung einmalig und abgeschlossen ist.

2.) Gerechtfertigt (von Gott gerecht gesprochen) sind wir durch den GLAUBEN, nicht durch die Taufe, noch durch irgendwelche andere Sakramente irgendwelcher Kirche, noch durch irgendwelche Werke, sondern allein durch den Glauben, indem wir glauben. Der Glaube ist kein Werk. Der Inhalt unseres Glaubens ist Jesus Christus, unser Retter, Er allein.

Paulus wiederholt diese gleiche Wahrheit, wenn er schreibt: „Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren“ (Römer 5,8). Wiederum: „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod; aber die Gnadengabe Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Römer 6,23). Ich hatte diese Worte früher viele Male gelesen. Jetzt las ich sie zum ersten Mal mit geistlichen Augen, die Gottes Heiliger Geist geöffnet hatte.

Zum Kreuz gehen

Als ich endlich meinen sündigen Zustand (also die schlechte Nachricht) anerkannt hatte, war ich fähig, am Fuss des Kreuzes die Gute Nachricht, das biblische Evangelium des vollkommenen Erretters, Jesus Christus, als freies Geschenk entgegen zu nehmen. So geschah es, dank Gottes Gnade, dass ich im April 1982 in dem kleinen Haus, das ich in Downey, Kalifornien, mietete, neben meinem Bett niederkniete und Christus, den Messias, als meinen persönlichen Herrn und Erlöser annahm.

In jenem Moment wurde ich von oben geboren. Jesus spricht von dieser zweiten Geburt als der vornehme Jude Nikodemus zu ihm kam (Johannes 3). Ich muss sagen, dass dieser Tag der herrlichste meines Lebens war. Was für eine Last wurde von meinen Schultern genommen, eine Last, die ich seit Jahren, seit meiner Kindheit trug. Nach all den Jahren der Priesterausbildung, des Dienens, des Abmühens mit Busswerken wurden meine Augen für die Schlichtheit des Evangeliums geöffnet. Es war Gottes Tat, von Anfang bis Ende. Wenn der Herr meine Augen nicht geöffnet hätte, wäre ich für immer im Dunkeln geblieben.

Jahrelang war ich getäuscht, in die Irre geführt, belogen worden, ob es absichtlich geschah oder nicht, ist nicht wichtig. „Welch einen Schatz habe ich da gefunden“, war mein Gedanke. Und ganz von selbst hatte ich den Wunsch, dies mit anderen zu teilen, besonders mit meiner Familie, mit all den alten Freunden, all den „guten“ Katholiken. Verzeihung: „da ist keiner, der Gutes tut, da ist auch nicht einer“ (Röm 3,12). Ich würde mit der Zeit herausfinden, dass die Errettung vom Herrn kommt. Er ruft; Er wählt, wen Er will.

Die Sorgen der Familie

Welcher treue und aufrichtige Katholik würde jemandem Glauben schenken, der seine Sache verraten und den „wahren Glauben“, die „eine, wahre, heilige, katholische, apostolische Kirche“ verlassen hat? Immerhin geht die Linie bis zum heiligen Petrus, dem ersten Papst, zurück. Zudem war ich das „schwarze Schaf“, dem das Höllenfeuer sicher war, es sei denn, es würde bereuen und zur „Mutterkirche“ zurückkehren. Mein ältester Bruder erinnerte mich bei mehr als einer Gelegenheit daran, aber selbstverständlich betete für meine Umkehr. Jedes Jahr zu Weihnachten brachte die Post mir eine Karte mit der Information: „Ich werde an Weihnachten Messen für dich lesen“, unterzeichnet mit „Pater John“. Ja, vor allem meine Familie wollte, dass ich zurückkehrte, sie wollten ihren verlorenen Sohn wieder haben. Als ich Ende Januar 1984 zur Beerdigung meines Vaters zurückflog, war dies eindeutig, wenn auch unausgesprochen, der Wunsch aller. „Wenn du zurückkehrst, werden wir dich wieder willkommen heissen.“ Ich erinnere mich gut, wie grosszügig meine jüngste Schwester damals war. Das werde ich nicht vergessen. Zu meiner Situation passten die Worte des Herrn: „Jesus aber sprach zu ihnen: Ein Prophet ist nirgends verachtet ausser in seiner Vaterstadt und bei seinen Verwandten und in seinem Haus!“ (Markus 6,4)

Wie kann man einen Schatz, den Schatz des ewigen Lebens, wegwerfen? Man will ihn teilen, nicht wegwerfen. Was? Zurückgehen zu Irrtum und Falschheit? Auf keinen Fall! Als ich das Licht des biblischen Evangeliums erkannte, war es mein Wunsch, es zu teilen und sicher nicht in die Dunkelheit zurückzukehren. Im Laufe der Zeit musste ich mich jedoch mit der Wahrheit abfinden, dass Gott souverän ist, und die Kontrolle über ALLES hat. ALLES schliesst auch die Erlösung selbst mit ein. Es ist er, der wählt. Römer 9 kam mir in den Sinn. Der Apostel Paulus schreibt dort: „Und nicht allein dies, sondern auch, als Rebekka von ein und demselben, von unserem Vater Isaak, schwanger war, als [die Kinder] noch nicht geboren waren und weder Gutes noch Böses getan hatten damit der gemäss der Auserwählung gefasste Vorsatz Gottes bestehen bleibe, nicht aufgrund von Werken, sondern aufgrund des Berufenden ,wurde zu ihr gesagt: »Der Ältere wird dem Jüngeren dienen« wie auch geschrieben steht: »Jakob habe ich geliebt, Esau aber habe ich gehasst«“ (Römer 9,10-13). Paulus fährt fort: „Was wollen wir nun sagen? Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne! Denn zu Mose spricht er: »Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und über wen ich mich erbarme, über den erbarme ich mich«. So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen“ (Röm 9,14-16).

Paulus schreibt weiter: „Nun wirst du mich fragen: Warum tadelt er dann noch? Denn wer kann seinem Willen widerstehen? Ja, o Mensch, wer bist denn du, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch das Gebilde zu dem, der es geformt hat: Warum hast du mich so gemacht? Oder hat nicht der Töpfer Macht über den Ton, aus derselben Masse das eine Gefäss zur Ehre, das andere zur Unehre zu machen?“ (Römer 9,19-21). In Römer Kapitel 9 wird dieses Thema am kraftvollsten auf den Punkt gebracht, aber es ist durch die ganze Heilige Schrift hindurch sichtbar. In Johannes Kapitel 3 erklärt der Herr Jesus dem Pharisäer Nikodemus, dass man nicht in den Himmel eintreten kann ohne von neuem geboren zu sein; mit anderen Worten, es braucht eine geistliche Geburt – eine Geburt von oben. Jesus erklärt:

„Wundere dich nicht, dass ich dir gesagt habe: Ihr müsst von Neuem geboren werden! Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen; aber du weisst nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist jeder, der aus dem Geist geboren ist ...“ (Johannes 3,7-8).

Als Jesus seine Apostel auswählte, sagte er: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt“ (Johannes 15,16) (Anmerkung der Übersetzer: Die Bibel verbindet den Begriff "Erwählung" nicht mit "gerettet oder verloren", sondern mit spezifischen Vorrechten und Segnungen). Er nimmt diejenigen beiseite, die er als seine Erwählten haben will. Was auch immer Gott beschliesst, geschieht, wie Er es angeordnet hat.

Ein Gegenstück zu Gottes Souveränität wäre die Verantwortung des Menschen. Ja, die Bibel lehrt, dass Gott souverän ist, aber sie lehrt auch die Verantwortung des Menschen. Beides wird in der Heiligen Schrift deutlich gelehrt, z.B. lesen wir: „…diesen, der nach Gottes festgesetztem Ratschluss und Vorsehung dahingegeben worden war, habt ihr genommen und durch die Hände der Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und getötet“ (Apostelgeschichte 2,23). Obwohl der Tod Christi souverän von Gott beschlossen und vorbestimmt war, hält Gott doch diejenigen für schuldig, die für den Tod Jesu verantwortlich waren. Sie werden die Schuld, die sie mit ihrem Handeln auf sich luden, bezahlen müssen.

Wie ist dies möglich? Ich weiss es nicht. Diese beiden Wahrheiten bilden einen scheinbaren Widerspruch, den niemand ergründen kann. Die beste Antwort, die ich gefunden habe, kommt vom Propheten Jesaja. Durch ihn erklärt Gott: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR“ (Jesaja 55,8). Vergessen wir nie: Gott ist Gott; der Mensch ist nicht Gott. Verglichen mit der Unermesslichkeit Gottes ist unser Geist nur ein winziger Tropfen. Eigentlich ist es gar nicht möglich, das Endliche mit dem Unendlichen zu vergleichen.

Die achtziger Jahre brachten mir viel Wertvolles. Gott öffnete nicht nur meine Augen und führte mich zum wahren biblischen Glauben, sondern er öffnete mir auch Arbeitsstellen und Geschäftsmöglichkeiten, so dass ich finanziell stabiler wurde. Nach dem grössten Geschenk, der Erlösung, gab er mir das nächst wertvolle Geschenk von allen: Im September 1984 lernte ich meine zukünftige Frau Edith kennen. Wir heirateten noch im Dezember des gleichen Jahres. Während all den Jahren war sie eine treue, liebevolle Partnerin, Begleiterin und Freundin, übersprudelnd, fröhlich und anregend, in jeder Hinsicht eine wahre Inspiration für mich. Noch ausdauernder ist ihre Liebe zu Gott und Seinem Wort. Zusammen sind wir in dieser Liebe gewachsen. Gott segnete mich auf so viele Arten. Mein Herz ist erfüllt von Dank für seine Wohltaten. Während diesen vielen Jahren wurde auch meine Theologie geschärft und verfeinert. Ich las, studierte und hörte die Predigten und Lehrvorträge von Männern wie Chuck Swindoll und Michael Horton, Kim Riddlebarger, Bob Morey. Mein jetziger Pastor Philip De Courcy von der Kindred Community Church predigt und erklärt die Bibel auf ganz praktische Weise. Zudem trugen auch Bibelstudien und Leiterschaftstreffen zu dem bei, was ich heute bin, im Januar 2013, als ich dieses Zeugnis schreibe.

Rückschau

Während ich meine Gedanken und Erinnerungen über die Jahre zurückschweifen lasse, frage ich mich: Welche Wahrheiten haben mich am meisten beeinflusst? Als erstes drängt sich mir beim Lesen und Studieren von Gottes Wort die grundlegende Wahrheit auf, dass Gott souverän ist. Gottes Wort ist unfehlbar. Es gab eine Zeit in meinem Leben, als ich ganz naiv an die Unfehlbarkeit des Papstes glaubte, aber diese Zeit ist vorbei. Nur Gott ist unfehlbar wie auch sein inspiriertes Wort, also alles, was er uns offenbart hat, vom Buch Genesis (1.Mose) bis zum Buch der Offenbarung.

Als nächstes erinnere ich mich bei meiner Rückschau an den Beitrag der Reformatoren des 16. Jahrhunderts, besonders Martin Luther und John Calvin. Sie holten das Evangelium aus der Dunkelheit der römisch-katholischen Theologie und Denkweise heraus. Sie wurden erbittert bekämpft. Viele bezahlten mit ihrem Leben, überall gab es Märtyrer, ebenso viele wie zur Zeit der ersten Christen. Wenn ich den Schritt, den ich soeben gewagt hatte, im 17. Jahrhundert getan hätte, wäre ich sicher ein Kandidat für Enthauptung, Verbrennung auf dem Scheiterhaufen oder Folterung durch die Inquisition gewesen.

Die fünf Sola

Die fünf „Sola“ der Reformatoren sind für mich ein Massstab. Mit diesen fünf „Allein“ drückten sie ihren Glauben knapp und klar aus. Das Heil war für sie allein aus Gnade, allein durch Glauben, allein dank Christus, es galt allein die Schrift und die Ehre sollte allein Gott gehören. In diesen Aussagen spiegeln sich die Worte des Paulus: „Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme“ (Epheser 2,8-9). Sie sind auch ein Spiegelbild des Briefes von Paulus an die Römer, in dem er den Weg der Erlösung darlegt.

Die damalige römische Kirche hätte diese fünf „Sola“-Aussagen ertragen können, wenn man denn das Wörtchen „allein“ daraus entfernt hätte. Dieses eine Wort war für sie verflucht, auf dem Konzil von Trient schrieben sie es fest. Ja, sagten sie, das Heil ist durch Gnade und Glauben – aber nicht allein. Du brauchst noch Werke und du brauchst die Sakramente der römischen Kirche. Ja, das Heil kommt durch Christus – aber nicht alleine durch ihn. Er braucht unsere Hilfe, um retten zu können. Er braucht Maria und die Heiligen. Mit anderen Worten, Er ist kein vollkommener, allgenügender Erretter. Er hat den Preis nicht vollständig bezahlt. Ja, wir glauben an die Bibel – aber nicht an sie alleine. Es braucht auch unsere Tradition. Ja, Gott gehört die Ehre – aber nicht ihm allein; wir haben uns auch etwas verdient. Hinter solchen Aussagen streckt Luzifer, der Engel des Lichts, seinen hässlichen Kopf hervor. Stolz gehört zu seinem Wesen.

Sein wunderbares Licht

Schliesslich hat mich das Studium der Schrift zu dem Punkt gebracht, an dem ich mich als Mensch bekenne, der an die Lehre der Gnade glaubt, d.h. ein reformierter, evangelikaler Christ, von oben geboren. Wahrlich, ich bin eine neue Schöpfung in Christus und ich glaube, dass allein Gott die Ehre bekommt für das, was ich bin und dafür, wie er mich geführt, beschützt und aus der Dunkelheit in Sein wunderbares Licht gebracht hat, in das Licht des biblischen Evangeliums. Ich kann getrost mit David die Worte des 23. Psalms beten:

Der HERR ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.

Er weidet mich auf grünen Auen und führt mich zu stillen Wassern.

Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Strasse um seines Namens willen.

Und wenn ich auch wanderte durchs Tal der Todesschatten, so fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und dein Stab, die trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde; du hast mein Haupt mit Öl gesalbt, mein Becher fliesst über. Nur Güte und Gnade werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Haus des HERRN immerdar.

Gott sei die Ehre für immer und ewig. Amen.

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