Im Norden Spaniens, in einer typisch römisch-katholischen Familie mit baskischem Blut kam ich zur Welt. Die Basken gelten als die strengstgläubigen Katholiken Spaniens.

  • Für Katholiken, auch für Priester, besteht das Gebet fast ausschliesslich aus mechanischem Wiederholen von bestimmten Formeln.

    Manuel Garrido Aldama

Im Norden Spaniens, in einer typisch römisch-katholischen Familie mit baskischem Blut kam ich zur Welt. Die Basken gelten als die strengstgläubigen Katholiken Spaniens. Ich hatte fünf Brüder und eine Schwester. Sie war die jüngste von uns allen. Mein Vater war Rechtsanwalt und wollte uns die bestmögliche Erziehung zukommen lassen und meine Mutter, eine hingegebene Katholikin, sorgte dafür, dass unser Leben nach streng religiösen Ordnungen verlief.

Meiner Mutter zuliebe

Der Priester war ein regelmässiger Gast in unserer Familie. Immer wieder erinnerte er meine Mutter daran, dass ihre sechs Söhne eine Gabe Gottes seien, für die sie ihre Dankbarkeit zeigen sollte, indem sie mindestens einen von ihnen für den Dienst am Altar hingebe.

„Wenn Sie Ihre Kinder lieben, dann geben Sie ihnen die grösste Ehre, die eine Mutter ihren Söhnen geben kann. Die grösste Ehre ist das Priesteramt.“

So ist es nicht erstaunlich, dass sie, die so religiös veranlagt und so hingegeben war, es wirklich als ihre Pflicht empfand, ein paar ihrer Söhne dem Priesteramt zu weihen. Obwohl mein Vater nicht gegen die Religion war, schenkte er dem Rat des Priesters wenig Beachtung, denn er war anderer Meinung. Er wollte, dass seine Söhne einen weltlichen Beruf erlernten. So hätte ich nicht Priester werden dürfen, wäre mein Vater nicht gestorben, als ich erst knapp zehn Jahre alt war. Danach war es nicht schwierig für meine Mutter, die nötigen Vorkehrungen für meine Aufnahme ins Priesterseminar zu treffen. Ich war noch keine elf Jahre alt, als ich ins ‚Kleine Seminar‘ in Madrid eintrat. Ich versprach meiner Mutter, mein Bestes zu geben, und wollte sie um nichts auf der Welt enttäuschen.

Aber wie kann ein elfjähriger Junge die Bedeutung des Priesteramtes verstehen? Rom sagt: „Wer einmal Priester ist, bleibt für immer Priester.“ Dieses Los wurde mir im zarten Alter von elf Jahren unter dem Druck einer liebenden Mutter zugeteilt.

Ist Gott ungerecht?

In den ersten sechs oder sieben Jahren meiner Ausbildung lief alles recht gut. Aber als das Studium der Kirchenlehre begann, änderte sich das. Der Theologieunterricht wurde auf Lateinisch erteilt, und am Ende jeder Lektion hatten die Studenten Gelegenheit, über das Gehörte Fragen zu stellen oder Einwände vorzubringen.

Unser Professor hatte seinen Doktortitel der Theologie in Rom erhalten. Als wir das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes behandelten, beschloss ich, eine Frage zu stellen. Ich hatte nicht die Absicht, etwas anzuzweifeln, sondern wollte eine Hilfe bekommen, um die Gerechtigkeit Gottes den Menschen gegenüber mit diesem Dogma in Einklang bringen zu können, das ja erst wenige Jahre vorher [1870] erklärt worden war. Ich argumentierte: „Gott macht es im Lauf der Jahre immer schwieriger, errettet zu werden, und das scheint nicht sehr gerecht zu sein. Warum konnten die Menschen bis zum Jahr 1870 errettet werden und in den Himmel kommen, ohne an dieses Dogma zu glauben, während wir, die jetzt leben, nicht errettet werden können, wenn wir dieses Dogma nicht glauben? Ist es nicht ungerecht von Gott, den Menschen alle paar Jahre zusätzliche Hindernisse auf dem Weg zur Errettung einzubauen? Gott ist nicht gerecht, wenn ich, um in den Himmel zu kommen, grössere lehrmässige Hürden überwinden muss als meine Vorfahren.“

Ich merkte, dass der Professor meine Fragen nicht gerne hörte. Als ich ihn bei einem anderen Thema um weitere Erklärungen bat, antwortete er mir zornig: „Wenn du nicht aufhörst, so gefährliche Gedanken zu hegen, wirst du eines Tages ein Ketzer werden.“

Einen unserer Lehrer sahen wir oft mit einem Neuen Testament in den Gängen des Seminars auf und ab gehen, welches er studierte und darüber meditierte. Wenn er predigte, dann predigte er immer über Christus; die Heiligen erwähnte er nie; und in seinen Unterrichtsstunden sagte er mehr als einmal: „Ich glaube, wir liegen irgendwo falsch. Der Christus, den wir kennen, ist nicht der Christus, den das Neue Testament uns beschreibt. Vielleicht sprechen unsere Predigten deshalb vor allem die weiblichen Gefühle an, während die Männer sich von uns fernhalten.“ Ohne Zweifel hatte er einiges von der Wahrheit in Christus Jesus erkannt, aber er fürchtete sich, es laut zu sagen.

Die Freudentränen einer Priestermutter

Schliesslich kam der Moment der Priesterweihe. Trotz der hohen Bedeutung, die der Ordination zugemessen wird, und aller Ehren, die ich dadurch empfangen würde, freute ich mich nicht sehr darauf. Mein Glaube an die Kirche und sogar an Gott war seit langer Zeit am Zerfallen.

Die Zeremonie fand in Madrid statt. Meine Mutter und andere Familienmitglieder waren angereist, um der einmaligen Feier beizuwohnen. Mit komplizierten Ritualen und üppigem Pomp – von Roms Experten für solche Gelegenheiten arrangiert – wurden meine Mitstudenten und ich ordiniert. Wenige Tage später las ich meine erste Messe und reichte die Kommunion meiner eigenen Mutter und Schwester. Ich sah, wie Tränen über die Wangen meiner Mutter rollten und auch ich konnte den aussergewöhnlichen Gefühlen nicht entrinnen, welche durch eine solche Zeremonie stimuliert werden.

Starke Männer wie kleine Mäuse

Nach einigen Monaten des Ausruhens bei meiner Familie konnte ich mir eine Stelle als Professor für spanische Literatur an einer Schule in Nordspanien, in der Provinz Santander sichern. Neben dem Unterricht musste ich dort auch jeden Tag eine Messe lesen und wurde auch gelegentlich gebeten, die Beichte abzunehmen. Als ich nun, gemäss dem Dogma der Transsubstantiation, Gott jeden Tag in der Hand hielt [bei der Wandlung in der Messe], und als ich sah, wie Männer und Frauen zu mir beichten kamen, entfernte ich mich immer weiter weg von Gott. Männer, stark wie Eichen, knieten vor mir im Beichtstuhl und zitterten vor Angst wie kleine Mäuse. Sie hatten nicht das Bedürfnis, ihre Sünden zu bekennen und wussten nicht, was sie sagen sollten, aber sie fürchteten die ewige Strafe, die man ihnen androhte, falls sie nicht mindestens einmal pro Jahr zur Beichte kämen. Solche Landarbeiter wussten nicht, womit sie beginnen sollten, und so baten sie: „Padre, helfen sie mir, indem sie mir Fragen stellen.“ Ich fragte sie dann nach allen sündigen Taten, von denen ich dachte, dass ein Mensch ihrer Art sie begehen könnte. Und obwohl ich nicht glaubte, dass ein Mensch die Sünden anderer vergeben könne, verweigerte ich die Absolution keinem, der aufrichtigen Herzens zu mir kam.

Gefangen durch die berufliche Stellung

Unter meinen Lehrerkollegen gab es noch einige Priester. Zu ihnen entwickelte sich natürlicherweise eine enge freundschaftliche Beziehung. Mehr als einmal fragte ich sie: „Glaubt ihr eigentlich wirklich daran, dass ein Stück Brot zu Christi Leib wird, nur weil wir sagen

‚Dies ist mein Leib‘, und dass einem Sünder vergeben wird, nur weil wir sagen ‚Im Namen Christi spreche ich dich los‘?“ Ich erinnere mich, wie einer zu mir sagte: „Warum machst du dir Gedanken über solche Dinge? Wir sind nun einmal in dieser Stellung und können nichts daran ändern.“

Zu dieser Zeit war ich bereits entschlossen, das Priesteramt aufzugeben. Allerdings hatte ich nicht den Mut, die Opposition und Ächtung auf mich zu nehmen, die mir sicher gewesen wären, hätte ich das Priesteramt innerhalb Spaniens verlassen. Ich wusste, dass an vielen Orten dieses Landes sogar mein Leben in Gefahr wäre, und so beschloss ich, ins Ausland zu ziehen, um meinen Überzeugungen entsprechend handeln zu können. Es gelang mir, für einige Zeit an eine Schule in Nordamerika versetzt zu werden. Als ich von dort nach Spanien zurückkehrte, schien mir die religiöse Umgebung unerträglich eng und erdrückend. In London fand ich dann die günstigsten Umstände, um die römisch-katholische Kirche zu verlassen. Ich war sehr beliebt bei meinen Studenten und war nicht auf die Unterstützung der Kirche angewiesen. So beschloss ich, hier und sofort auszusteigen. Ich teilte der römisch-katholischen Kirchenführung in London meinen Entschluss schriftlich mit und bat sie, meine Stelle mit jemand anderem zu besetzen. Auf diese scheinbar einfache Weise wurde der Wunsch Wirklichkeit, den ich seit Jahren in meinem Herzen gehegt hatte. Ich dachte, endlich alles Religiöse los zu sein, aber es sollte anders kommen. Gott hatte den Plan, mich zu sich zu ziehen.

Der Glaube an Christus allein

Ein Pfarrer der anglikanischen Kirche, ein wirklicher Gottesmann, hatte von meinen geistlichen Kämpfen gehört und interessierte sich für mich. So lud er mich ein, mich mit ihm über religiöse Fragen zu unterhalten. Er war bestrebt, mir die Wahrheit aufzuzeigen, nicht nur, weil ich aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten war, sondern weil ich damit meiner Meinung nach jeglicher Religion und ganz besonders Gott den Rücken gekehrt hatte. All unsere Gespräche schloss er mit dem Gedanken: „Trotz all deiner Gelehrsamkeit gibt es etwas, was du nicht kennst und was dir fehlt: du kennst Christus nicht als deinen Erretter und du hast ihn nicht in deinem Herzen.“

Die Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit dieses Mannes lösten unweigerlich Bewunderung in mir aus, und ich musste zugeben, dass ich nie zuvor den Heilsplan Gottes so gehört hatte, wie er ihn mir nun beschrieb: dass Jesus Christus die Strafe für die Sünden voll und ganz getragen hatte und dass ich ihn auf reale Weise kennenlernen musste und einen aus dem Herzen kommenden Glauben an ihn brauchte.

„Wer aber Werke verrichtet, dem wird der Lohn nicht aufgrund von Gnade angerechnet, sondern aufgrund der Verpflichtung; wer dagegen keine Werke verrichtet, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, dem wird sein Glaube als Gerechtigkeit angerechnet. Ebenso preist auch David den Menschen glückselig, dem Gott ohne Werke Gerechtigkeit anrechnet: Glückselig sind die, deren Gesetzlosigkeiten vergeben und deren Sünden zugedeckt sind; glückselig ist der Mann, dem der Herr die Sünde nicht anrechnet!“ (Römer 4,4-7)

Der Pfarrer erklärte mir Gottes Heilsplan viele Male, bis Gott mir in seiner Gnade Licht schenkte. Ich bekam einen neuen Hunger für die Dinge Gottes, einen Hunger, den Gott selbst mir gegeben hatte.

Wirkungsvolles Gebet

Eines Samstag nachmittags, als ich wieder bei diesem Pfarrer eingeladen war und wir wieder über das gleiche Thema gesprochen hatten, führte er mich in ein angrenzendes Zimmer, in dem einige Gläubige seiner Kirche zum Gebet versammelt waren. Voller Erstaunen hörte ich zu, wie sie für mich beteten. Sie waren offensichtlich für mein geistliches Wohl besorgt. Der Pfarrer hatte ihnen von mir erzählt, und sie waren nur meinetwegen hier zusammengekommen. Ich merkte, dass Christus für sie eine reale Person war, denn sie sprachen zu ihm, als wäre er wirklich anwesend. Das war etwas ganz Neues für mich. Nie hätte ich gedacht, dass Menschen so inständig und spontan zu Gott beten könnten, wie diese Menschen es taten. Für Katholiken, auch für Priester, besteht das Gebet fast ausschliesslich aus mechanischem Wiederholen von bestimmten Formeln. Diese sind entweder von der Kirche vorgegeben oder von gewissen Menschen niedergeschrieben worden, die versuchten, ihre eigenen Gefühle Gott oder den Heiligen gegenüber als Hilfe für andere in Worte zu fassen.

Gott gibt mir Glauben

Ich wurde zutiefst vom Heiligen Geist überführt, und Gott gab mir Glauben an Christus und ein bussfertiges Herz. Ich konnte nicht anders als ernsthaft zu Gott beten: „Gott, es ist wahr, dass Jesus Christus errettet

und inneren Frieden gibt. Ich möchte, dass Er nahe zu mir kommt, und diesen Frieden auch mir gibt.“ Ich wusste nicht genau, was nun geschah, aber die Zweifel und die geistliche Dunkelheit, die mich so lange gequält hatten, verschwanden und ich verspürte einen Frieden und eine Ruhe, die ich nie zuvor gekannt hatte. Der Herr hatte sein Ziel erreicht. Ich war vom Tod zum Leben hindurchgedrungen.

„Da wir nun aus Glauben gerechtfertigt sind, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus” (Römer 5,1). “In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Epheser 1,7).

Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei

Nicht lange nach meiner Bekehrung traf ich eine Frau, die später meine Ehefrau wurde. Sie war Schülerin in einem meiner Spanischkurse gewesen. Als ich sie fragte, ob sie meine Frau werden möchte, lehnte sie ab mit dem römisch-katholischen Argument: „Einmal Priester, immer Priester“. Sie war Katholikin, hatte aber keinen Bezug zur Kirche mehr. Schliesslich gab sie ihr Ja, unter der Bedingung, dass ich nie von ihr verlangen würde, protestantisch zu werden. „Ich werde nie ins feindliche Lager überlaufen“, pflegte sie zu sagen. Ich hatte aber die Gewissheit, dass Christus, der stark genug gewesen war, mich zu sich zu ziehen, auch sie retten würde. Und er tat es. Es war nicht schwer, ihr die Irrtümer der römisch-katholischen Kirche aufzuzeigen, und zudem wurde sie vom Herrn zu ihm gezogen.

Die Menschen brauchen das Evangelium

Ich merkte, dass der Herr mir eine Last für Spanien und die spanischsprachige Welt auflegte. Nach und nach führte er mich in einen Dienst als Radioevangelist in einer südamerikanischen Radiostation mit dem Namen ‚Stimme der Anden‘ (HCJB). Viele Katholiken fanden durch diese Sendungen zu Christus. Ich glaube, dass wir das Evangelium verkünden müssen, denn es ist Gottes Kraft zur Rettung für jeden, der glaubt (Römer 1,16), und dass wir dies mit allen Mitteln tun müssen, um den Nöten einer sterbenden Welt zu begegnen. „Demnach kommt der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort“ (Römer 10,17).

Manuel Garrido Aldama verliess das römisch-katholische Priesteramt im Jahr 1925 und nahm den biblischen Glauben an Christus an. Wie Miguel Carvajal arbeitete er viele Jahre in der Radiostation HCJB in Quito, Ecuador, mit. Jetzt ist er beim Herrn.

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