Meine Mutter war eine überzeugte Methodistin, als sie 1913 das Wagnis einging, einen überzeugten Katholiken zu heiraten. Von ihrer Familie wurde sie deshalb verstossen. Einige ihrer Schwestern machten dies später rückgängig; als sie älter wurden, nahmen sie wieder Kontakt auf. Meine Eltern bekamen 18 Kinder, elf Knaben und sieben Mädchen. Drei starben im Kleinkindalter.

  • „Aufgrund seiner Barmherzigkeit [hat er uns] errettet durch das Bad der Wiedergeburt und durch die Erneuerung des Heiligen Geistes“ (Titus 3,5)

    Mary McGuignan

Mutter und Vater knieten jeden Abend am Bett ihrer Kinder und beteten. Sonntags besuchten sie die Messe. Während des 2. Weltkriegs gingen sie sogar fast jeden Tag zur Messe und zündeten rote Gedenkkerzen an, fünf an der Zahl zu Ehren ihrer fünf Söhne, die in der US Armee dienten. Sie bezahlten dafür jedes Mal 0.25$. Alle fünf kamen lebend wieder, zwei waren verwundet worden und erhielten das „violette Herz“. Es gab eine würdige Feier, nach der Dankesmesse folgte ein reichhaltiges Essen, es wurde photographiert und zum Tanz wurde die ganze Nachbarschaft eingeladen.

Ein paar Monate vor Kriegsausbruch war meine älteste Schwester in den Franziskanerorden der „Schwestern der Heiligen Familie Marias“ eingetreten. Jeden Sommer schickte dieser Orden ein paar Nonnen in unsere Pfarrei. Sie hielten dort zwei Kinderferienwochen. Meine älteste Schwester hatte diese Nonnen und ihre Arbeit immer bewundert und beschloss, auch ein solches Leben zu leben. Sie war 17, als sie ins Kloster eintrat um eine „Franziskanerschwester der Heiligen Familie Marias“ zu werden. Die nächstjüngere Schwester begleitete sie, aber sie blieb nur sechs Wochen, dann trieb das Heimweh sie wieder nach Hause. Die dritte Schwester verkündete, dass auch sie Nonne werden würde, egal wie lange sie bis dahin warten müsse. Diese Bemerkung hatte einen Grund: Unser Vater hatte angeordnet, dass keine von uns eine weiterführende Schule besuchen durfte, bevor
wir kochen und haushalten konnten. So blieben wir alle nach der 8. Klasse ein Jahr zu Hause. Nur die dritte Schwester durfte aus irgendeinem Grund direkt nach der 8. Klasse ins Kloster gehen. Zwei Jahre später trat Schwester zwei erneut ins Kloster ein, diesmal blieb sie dort. Nun war ich an der Reihe. Ich hatte mehrmals gehört, wie meine Eltern sagten, wie glücklich sie seien, ihre Töchter in der Sicherheit eines Klosters zu wissen. Dort würden sie nicht in Schwierigkeiten geraten, wie einige der gleichaltrigen Mädchen in unserem Dorf. Diese Bemerkungen beeinflussten meine Überlegung, auch Nonne zu werden.

Mit meinem Vater hatte ich keine liebevolle Beziehung, ich kann mich an keine einzige Unterhaltung zwischen ihm und mir allein erinnern. So bat ich meine Mutter, den Vater zu fragen, ob er möchte, dass ich ins Kloster gehe. Aber ich bekam darauf nur die Antwort, dass ich diese Entscheidung selber treffen müsse. Als ich mich entschieden hatte, bat ich sie, es meinem Vater mitzuteilen. Er habe nicht viel gesagt, meldete sie zurück, aber er sei überrascht gewesen. Ich vermute, er schätzte mich als „wilden“ Teenager ein, zu wild um über eine solche Berufung nachzudenken.

Im Sommer 1950 arbeitete ich in einer grossen Geflügelzucht. Es war das erste Mal, dass ich ausserhalb unseres Hauses arbeitete. Mit dem Geld, das ich verdiente, kaufte ich, was ich fürs Kloster benötigte. Die 34$, die noch übrigblieben, gab ich meinem Vater auf der Reise ins Kloster.

Die Ausbildung zur Nonne dauerte drei Jahre. Im ersten Jahr wurden wir Postulantinnen (=Person, die Aufnahme in einen religiösen Orden begehrt. Die Postulantenzeit dauert in der Regel 1 Jahr) genannt und trugen wadenlange, schwarze Kleider mit einem schmalen Umhang über die Schultern und einem weissen Kragen, ähnlich wie ihn die Priester haben. Lange schwarze Strümpfe und schwarze Schuhe vollendeten unsere Einkleidung. Der Unterrichtsstoff umfasste die Ordensregel (=Durch die Ordensgründer formulierte Richtlinien) und Kirchengeschichte (aus der Sicht der Katholischen Kirche). Nach dem ersten Jahr fand eine Prüfung statt. Eine von den Autoritäten im Mutterhaus beauftragte Person musste feststellen, ob wir den nötigen Stand hätten, Nonnen zu werden. Danach nahmen wir an einer Zeremonie teil, bei der wir als Bräute gekleidet wurden und unsere Nonnenkleider erhielten. Die Zeremonie fand in der Kapelle statt und wir durften unsere engsten Familienangehörigen einladen.

Das folgende Jahr hiess „kanonisches Jahr“, denn wir studierten das kanonische Recht oder „Das Gesetz der Katholischen Kirche“. Es wurde als sehr wichtiges Jahr betrachtet und unser Kontakt mit der Familie oder Freunden wurde eingeschränkt.

Nach dem dritten Jahr legten wir die zeitlichen Gelübde ab. Sie galten nur für die Dauer eines Jahres und wurden noch zweimal um ein Jahr verlängert. Erst dann durften wir die ewigen Gelübde ablegen. Während diesen drei Jahren gingen wir den Pflichten nach, welche das Kloster uns zugeteilt hatte, z.B. Haushalt führen, unterrichten, Krankenpflege. Was auch immer die Ordensgemeinschaft den Einzelnen zuteilte, war für sie passend.

Eines von den bemerkenswerten Ereignissen während meinen Ausbildungsjahren war dieses: Ich sagte zur Verantwortlichen für die Postulantinnen, dass ich hin und her überlege, ob ich lieber Hauswirtschafterin oder Lehrerin werden möchte. „Du wirst Lehrerin“, sagte sie und beendete das Gespräch. Im nächsten Jahr nahm ich allen Mut zusammen und ging zur Novizenmeisterin. Ich sagte ihr, dass ich Angst hätte, sie anzusprechen. Da drei meiner leiblichen Schwestern auch im Kloster lebten, fühlte ich mich unter Druck, ihren guten Ruf fortzusetzen. Man hatte uns zwar gesagt, dass die familiären Verbindungen im Kloster nicht gelten, aber trotzdem fühlte ich mich verpflichtet, ihrem Vorbild zu folgen statt mich selber zu sein. Das belastete mich.

Man betonte auch, wie wichtig es war, blind zu gehorchen, also zu tun, was uns befohlen wurde und keine Fragen zu stellen. In den drei Ausbildungs-jahren hatten wir alle einen bestimmten Bereich, den wir jeden Tag reinigen mussten. Ich bemühte mich immer, dies so bald wie möglich zu erledigen. Anschliessend begann ich mit dem Selbststudium. Eines Morgens kam die Novizenmeisterin in den für das Selbststudium reservierten Raum und fragte mich, warum ich nicht geputzt hätte. „Ich habe geputzt.“ „Sie haben nicht geputzt.“ Als ich darauf beharrte, dass ich meine Arbeit getan hatte, wurde sie sichtbar zornig und und stürmte aus dem Raum. Ich konnte nicht verstehen, warum sie stur behauptete, dass meine Arbeit nicht erledigt sei, wenn ich doch wusste, dass ich sie erledigt hatte. Vielleicht wollte sie mir eine Lektion im Fach „Blinder Gehorsam“ erteilen und ich hätte demütig mein
Versagen eingestehen und die Arbeit nochmals tun sollen.

Mein erstes Arbeitsfeld war in einer „Mission“ (Ein Orden hat mehrere Aussenstationen, so genannte Missionen, wo einige Nonnen zusammen
leben und sich sozialen Aufgaben widmen, unter anderem werden sie als Lehrerinnen an kirchlichen Schulen eingesetzt) im Grossraum Chicago. Später, als ich aus dem Kloster austrat, meinte einer meiner Brüder, es sei nur deshalb so weit gekommen, weil man mich damals nach Chicago geschickt hätte. Für ihn und noch ein Familienmitglied war „die grosse Stadt“ mein Ruin.

Ich sollte Kinder der dritten Klasse unterrichten, obwohl ich damals noch keine Ausbildung als Lehrerin hatte. In Chicago war dies nicht Voraussetzung. Und weil mir der Mittelschulabschluss noch fehlte, schickte man mich in diese Gegend. Das Abitur und die Lehrerausbildung holte ich innerhalb eines Jahres nach. Mir tun die armen Schüler leid, die damals in meiner Klasse waren. Ich war sehr streng und unnachgiebig und ich bin sicher, dass einige panische Angst vor mir hatten. In meinem Schulzimmer sassen 53 Kinder.

Als das Schuljahr vorbei war, kehrten die anderen Nonnen und ich ins Mutterhaus zurück um den Sommer über zu lernen. In dieser Zeit schlossen wir die Studienfächer ab, die uns noch fehlten. Eine ältere Nonne hatte den Auftrag, die jüngeren Nonnen, die erst die zeitlichen Gelübde abgelegt hatten, zu beraten und wenn nötig zu überwachen. Ich hatte also gerade mein erstes Einsatzjahr hinter mir, als mich diese Nonne in ihr Büro rief und mir mitteilte,
dass eine der älteren Nonnen, die das Jahr hindurch mit mir zusammengelebt hatten, sich Sorgen machte, weil ich in der Gemeinschaft etwas überdreht gewesen sei. Ich wurde ermahnt, ernsthafter zu werden. Das löste grosse Angst in mir aus und im nächsten Jahr zwang ich mich zum Schweigen. Fast jeden Abend weinte ich mich in den Schlaf, anvertrauen konnte ich mich niemandem. Schliesslich landete ich mit einem Muskelkrampf im Spital. Aber es war bestimmt nur Einbildung, denn die Ärzte fanden kein körperliches Problem. Ich erinnere mich, wie ich auf dem Spitalbett sass und mit einer anderen Patientin lachte und witzelte. Mein Verhalten machte überhaupt keinen Sinn.

Eine andere Nonne, die damals am gleichen Ort wohnte wie ich, erhielt eine Beurlaubung und psychiatrische Behandlung. Später verliess sie den Orden. Meinerseits setzte ich das zwanghafte Schweigen weitere zwei bis drei Jahre fort.

Die Tage zwischen dem Ende des Schuljahrs und dem Beginn der Sommertätigkeiten waren immer von einer besonderen Nervosität geprägt. Jede Nonne hatte einen grossen Koffer, in welchen sie ihre persönlichen Habseligkeiten verstauen konnte. Das musste sie tun, bevor sie dorthin fuhr, wo sie den Sommer über studieren oder anderweitige Aufträge ausüben würde. Der Grund dafür war folgender: Falls sie im Lauf des Sommers einen anderen Dienst zugewiesen bekäme, sollte sie nicht an den vorigen Dienstort zurückkehren müssen, sondern direkt zum neuen Ort fahren können. Der Koffer wurde dann nachgeschickt. Dieses Vorgehen kostete mich jeden Sommer viele Stunden Schlaf. Die Ungewissheit weckte Ängste verschiedenster Art. An einem Abend Ende Juli war es jeweils so weit: Nach der Abendmahlzeit reihten sich alle Ordensschwestern dem Eintrittsalter nach auf. Wer am
längsten im Kloster war, stand vorne. Schweigend schritt eine hinter der anderen zur Kapelle. Beim Eingang stand die Mutter Oberin und gab jeder Schwester einen kleinen Zettel mit der Dienstanweisung für das nächste Jahr. Nicht wenige Schwestern vergossen daraufhin bittere Tränen. Aber wir hatten das Gelübde des Gehorsams abgelegt und das hier war ein Teil davon.

Das Gelübde der Armut einzuhalten, war für mich nie ein Problem, vermutlich weil meine Familie in Armut gelebt hatte. Und in den Umständen des heutigen Klosterlebens überhaupt etwas zu sehen, was mit Armut zu tun hat, ist sowieso schwierig. Meine leiblichen Schwestern und ihre Klosterschwestern haben alle materiellen Annehmlichkeiten, die man in der Mittel- oder Oberschicht suchen würde. Sie dürfen reisen und selber entscheiden, ob sie in eigenen Wohnungen oder in einer Hausgemeinschaft leben wollen. Sie dürfen auch Spenden von befreundeten Laien entgegen nehmen.

Die Oberinnen in den verschiedenen Arbeitszweigen wurden für drei Jahreszyklen eingesetzt, anschliessend konnten sie noch drei weitere Zyklen bleiben; mehr war nicht erlaubt. Mein zweiter Einsatzort war in einem anderen Stadtteil von Chicago. Die Oberin war gleichzeitig die Schulvorsteherin. Als ihre zwei mal drei Jahre abgelaufen waren, blieb sie Schulleiterin, ihr Platz als Oberin wurde einer älteren Nonne zugewiesen, die aus einer kleinen Stadt in Iowa kam und überhaupt nicht ans Grossstadtleben gewöhnt war. Sie hatte gehört, in unserer „Mission“ würden wilde Feste gefeiert und sie war fest entschlossen, diese zu unterbinden. Die Konflikte waren vorprogrammiert. Nach nur einem Jahr wurde sie versetzt, ebenso die Nonne, die noch Schulleiterin war. Uns schickten sie eine neue Oberin, die die Aufgabe nur ungern übernahm, aber sich natürlich nicht dagegen wehren durfte. Nach einigen Monaten musste ich ihre Arbeiten übernehmen, denn sie war weder gesundheitlich noch mental noch emotional fähig, das zu erledigen, was von ihr erwartet wurde.

Wie bereits erwähnt, wurde schon im Noviziat betont, wie wichtig blinder Gehorsam ist. Fragen stellen war unerwünscht, denn was wir taten, hatte Gott so gewollt. Während der Zeit, als ich inoffiziell die Aufgaben der Oberin ausführte, kam eine neue Weisung vom Leitungsgremium des Mutterhauses:
Wenn jemand von uns Missstände entdecke, dürften wir sie ebendiesem Gremium melden. Zusammen mit fünf anderen, die im betreffenden Jahr auf der gleichen Mission tätig waren, beschloss ich, dem Mutterhaus von unseren Bedenken zu schreiben. Wir führten aus, was nach unserem Empfinden in dieser Missionsstation gut lief und was nicht und wir machten Verbesserungsvorschläge. Das Resultat: Alle, die ihre Beobachtungen gemeldet hatten, wurden für das nächste Dienstjahr versetzt.

Meine neue Arbeitsstelle war in einem Aussenquartier von Chicago. Der Orden hatte gerade begonnen, unsere Kleidung umzustellen. Die Röcke wurden kürzer, die Schleier kleiner, und man befestigte sie neu am Mary als Nonne Hinterkopf, so dass ein Teil der Haare sichtbar wurde. Die dortige Oberin stammte ebenfalls aus einer kleinen Stadt der USA. Für ihre Entscheide als Schulleiterin verliess sie sich auf die Insider-Tipps einiger Mütter. Diese sagten ihr, welche Schüler aus guten und welche aus zweifelhaften Familien kämen. Ich hatte immer einen besonderen Draht zu den „Ausgestossenen“. Wir kamen gut miteinander zurecht und ich konnte ihnen bei der Bewältigung ihrer Probleme helfen. In diesem Schuljahr sollten die Schulvorsteher damit beginnen, die Leistungen der Lehrer zu bewerten. Die Noten, die ich bekam, waren unzureichend.

Die „zweifelhaften“ Schüler kamen oft abends im Aufenthaltsraum der Ordensschwestern vorbei, einfach nur um rumzusitzen und zu schwatzen. Sie hatten nichts Spezielles mitzuteilen, sie brauchten nur etwas Aufmerksamkeit. Wir waren hier in einem Arbeiterviertel, viele von ihnen wohnten in einem „Gebäude“ statt einem „Zuhause“. Eines Tages stellte mich die Oberin wegen dieser Umstände zur Rede. Sie fand, dass ich um diese Zeit mit den anderen Nonnen zusammen unsere „Erholungszeit“ einhalten sollte. Dann fragte sie, ob ich an einem Termin beim Psychiater interessiert wäre. Die Diözese von Chicago hatte eben erst ein Programm für mentale Gesundheit eröffnet und die Nonnen durften nun Fachpersonen ihrer Wahl aufsuchen, um benötigte Hilfe zu erhalten. Ich willigte ein, den Psychiater kennenzulernen und ging dann einmal wöchentlich zu ihm. Allerdings war ich etwas unsicher, denn ich wusste, dass er nicht römisch-katholisch war und meine Situation deshalb wohl nicht verstehen würde. Nach der dritten oder vierten Sitzung sagte er zu mir: „Kann es sein, dass Sie zu einer bestimmten Zeit den Ruf hatten, Nonne zu werden, dass sich die Umstände aber geändert haben und Sie nun keinen Ruf mehr haben, Nonne zu sein?“ Diese Bemerkung erschreckte mich und ich ging nicht mehr zu ihm. Meine Angst hatte
einen ganz bestimmten Grund: Vom Anfang unserer Ausbildung an hörten wir immer wieder, dass wir nach Ablauf der ersten sechs Jahre im Kloster, also nach dem Ablegen der ewigen Gelübde, für immer Nonne wären und den Orden nicht mehr verlassen dürften. Das war unsere Berufung. Offensichtlich hatte der Herr einen anderen Plan für mich. Ich mag mich nicht erinnern, dass ich jemandem mitteilte, warum ich nicht mehr zu jenem Psychiater ging, aber meine Frau Oberin fand einen Priester, der einen sehr guten Ruf hatte für die Beratung von Nonnen. Seine Kundschaft bestand fast ausschliesslich aus Frauen: Ordensschwestern und Laienfrauen.

Als Hilfe gegen Zweifel riet man uns, unsere Gelübde jeden Tag nach der Heiligen Messe zu erneuern. Ich tat dies bis wenige Monate vor meinem Austritt. Ich meinte es also ernst mit dem, was ich als richtig gelehrt worden war. Doch dann kam der Anfang vom Ende meines Klosterlebens. Ich hatte während der sommerlichen Vorlesungszeit des Ordens alle Studienaufträge durchgearbeitet, die mir noch fehlten und schloss mein Fachhochschulstudium Ende Sommer 1969 ab. Eine Ordensschwester, die im letzten Turnus in der gleichen Mission gearbeitet hatte wie ich, hatte gehört, dass ich einen ehemaligen Schüler heiraten wolle. Sie sorgte dafür, dass dieses Gerücht im Mutterhaus bekannt wurde. Ich wurde vorgeladen und aufgefordert, sofort zu gehen, falls Heiraten wirklich meine Absicht sei. Andernfalls würden sie mich in eine Mission in Iowa versetzen, denn die Nonne, die das Gerücht verbreitet hatte, könne mit allem, was sie über mich wisse, nicht länger mit mir zusammen leben. Ich antwortete, dass ich sowieso im Sinn hatte, im Herbst bei der zuständigen Stelle um eine Auszeit zu bitten. Als ich nun hörte, dass ich sowieso versetzt würde, beschloss ich auf der Stelle Urlaub zu nehmen. Ich fuhr nach Chicago, packte dort meine Siebensachen und verliess alles. Ein Gespräch mit den Verantwortlichen von Iowa wollte ich zu jener Zeit nicht haben, doch wurde mein Wunsch nicht respektiert. Eine Nonne unteren Ranges musste mich anrufen. Anschliessend bat sie die Mutter Oberin, mich zum Bleiben zu überreden. Sie machte mich auch auf die verstörenden Folgen aufmerksam, die es für meine Mutter haben würde, wenn eine ihrer sechs Töchter das Kloster verliesse.

Als Austrittsdatum wählte ich den 1. September 1969. Es sollte eine einjährige Beurlaubung sein. Die lokale Oberin lieh mir $400, das Mutterhaus $900 zu einem Zins von 5%. Der Priester, bei dem ich in der Beratung war, „gab“ mir ein paar Hundert Dollar. Die 900 zahlte ich innerhalb von sechs Monaten zurück, die Oberin erhielt ihr Darlehen einige Monate später zurück. Ich fand eine kleine Wohnung im Norden von Chicago und eine Anstellung als Lehrerin beim Erziehungsdepartement. Der Priester half mir mein erstes Auto zu suchen und zu bezahlen. Möbel und anderes kaufte ich in Secondhand- und Trödlerläden.

Im Lauf dieses Jahres kontaktierte ich die Beratungsstelle, die sich im Auftrag der Diözese um austretende Nonnen kümmerte. Es gab viele solche! Der Berater half mir die Gründe zu formulieren, warum ich Nonne geworden war. Dazu gehörte der Einfluss meiner älteren Schwestern und die Zufriedenheit meiner Eltern mit ihrem Weg; die Tatsache, dass ich meinte, in einem Kloster in Sicherheit zu sein – einen garantierten Eintritt in den Himmel zu haben. Darüber hinaus musste ich mich nicht mehr mit meinen Haaren herumschlagen, was mir immer viel Umstände bereitete. Später zeigte der Berater mir auf, wie ich die rechtsgültige Dispens von Rom bekommen konnte, so dass ich auch rechtlich von allen weiteren Verpflichtungen an das Kloster befreit wäre. Er tat dies allerdings erst, nachdem ich wirklich Klarheit gewonnen hatte, dass es für mich kein Zurück ins Kloster und zu einem Leben als Nonne gab.

Einige Reaktionen aus meiner Familie zielten klar darauf ab, mich zu einer Rückkehr zu bewegen. Eine meiner Schwestern sagte, ich könne doch so viel Gutes tun im Kloster. Worauf ich entgegnete, dass ich auch ausserhalb des Klosters sehr viel Gutes tun könne. Eine andere meinte, wenn ich schon aus dem Kloster austreten wolle, solle ich es jetzt tun, bevor ich zu alt dafür sei. Eine gab keinen Kommentar. Eine versuchte mich mit Schuldgefühlen einzudecken. Die fünfte fühlte sich verletzt und fragte, ob sie vielleicht etwas falsch gemacht und damit meinen Wunsch geweckt habe, das Kloster zu verlassen. Dann hatte ich noch einen Bruder, der während acht oder neun Jahren ein Trappistenmönch  (Die Trappistenmönche sind ein Unterorden der Zisterzienser. Sie sind für ihre strengen Regeln wie das Schweigegelübde bekannt. Der Name kommt von La Trappe in der Normandie, wo der Orden gegründet wurde) gewesen, dann ausgetreten war und geheiratet hatte. Er fühlte sich nach seinem Austritt so schuldig, dass er tagelang zweifelte, ob er zurückkehren sollte oder nicht. Einmal setzte er sich ans Steuer und fuhr eine ganze Strecke in Richtung Kloster, wendete schlussendlich doch wieder und kehrte heim. Er hatte keine ewigen Gelübde abgelegt, war also frei zu gehen (aus kirchlicher Sicht). Ein anderer meiner Brüder war Priester. Er fragte: „Warum willst du den Orden verlassen? Du hast jeden Tag drei Mahlzeiten und ein Dach über dem Kopf.“ Ich antwortete, dass es im Leben um mehr gehe als bloss das. 19 Jahre hatte ich als Nonne gelebt, nun war ich zurück „in der Welt“ – in der Freiheit.

Es war eineinhalb Jahre nach meinem Austritt aus dem Orden, als ich einen Tanzanlass für ledige Katholiken besuchte. Er fand am Samstagabend in der St. Peterskirche im Stadtzentrum von Chicago statt. An diesem Abend lernte ich John, meinen zukünftigen Mann kennen. In meiner Vorstellung hatte ich immer einen irischen Mann mit schwarzem, lockigem Haar geheiratet. John hatte nicht schwarzes Haar, aber es war lockig und er war Ire. Wir heirateten am 8. Januar 1972. Der grössere Teil meiner Familie nahm die lange Autofahrt von Iowa nach Chicago auf sich und kam zur Hochzeit, die in einer katholischen Kirche stattfand. Zudem heiratete ich einen Katholiken, also blieb ich katholisch. Mich störte dies nicht. John prahlte sogar damit, dass er eine ehemalige Nonne geheiratet hatte – bis er merkte, dass die Leute daraus schliessen könnten, dass er der Grund meines Austritts gewesen sei.

Wenige Monate vor unserer Hochzeit hatte John ein spezielles Erlebnis in einer Kirche im Westen Chicagos. Es war ein Bekehrungserlebnis. Irgendwie hatte er gemerkt, dass nur Jesus Christus ihn retten konnte und er setzte sein ganzes Vertrauen auf Ihn. Aber was da genau mit ihm geschehen war, verstand er nicht. Nach unserer Hochzeit begann er, Sonntag vormittags eine Fernsehpredigt anzuschauen. Anschliessend gingen wir zur Messe. Eines sonntags bot der Fernsehprediger ein kostenloses Johannesevangelium an. John bestellte es und fing eifrig an zu lesen. Manchmal kamen ihm die Tränen, manchmal lachte er. Ich wurde ein bisschen eifersüchtig, dass er so viel Zeit mit seinem neuen Buch verbrachte. Ein paar Sonntage später liess er den Fernseher eingeschaltet und hörte einem weiteren Prediger zu. Dieser bot seinen Zuschauern ein kostenloses Wochenende am Hauptsitz seiner Organisation an. Nur den Flug mussten wir bezahlen. Als wir am Ziel ankamen und auf unseren Plätzen auf den Prediger warteten, begann ich zu weinen. Ich verstand nicht, warum ich plötzlich so weinen musste, aber mir war klar geworden, dass ich umkehren und Gott glauben musste. Ich erkannte, dass ich eine Sünderin war. Als Katholikin und als Nonne hatte ich mich nur auf die Sakramente konzentriert. Aber diese Rituale hatten mein Herz nicht verändert. Nun hatte ich eingesehen, dass ich zuerst meine Sünde erkennen musste, bevor ich von neuem geboren werden konnte, wie Jesus gesagt hatte: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen! Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist“ (Johannesevangelium 3,5-6). Gott selber hat mich überführt, und nachdem der Prediger die Kanzel verlassen hatte, ging ich in ein Nebenzimmer, wo Seelsorger für mich beteten. An jenem Tag setzte ich mein ganzes Vertrauen auf das, was Jesus Christus zu meiner Rettung getan hatte und ich wurde neu geboren.

Mir fiel anschliessend nichts Aussergewöhnliches in meinem Leben auf. Eines Sonntag morgens schaute John seine üblichen Fernsehsendungen und dann gingen wir zur Messe. Als wir heimkamen, sagte er, er könne es nicht länger ertragen, zur Messe zu gehen. Dort würde nicht die Bibel gepredigt. Ich sagte ihm, wenn er es nicht mehr aushalte, solle er doch zuhause bleiben. Meine Antwort erstaunte ihn. Einige Wochen später sprach ich mit einer
ehemaligen Nonne, mit der ich in einer Hausgemeinschaft gelebt hatte. Sie hatte schon im Kloster verstanden, dass Jesus Christus allein sie erretten konnte, worauf sie ihm Glauben schenkte. Als wir nun zusammen telefonierten, machte sie die Bemerkung, dass Gott nicht in Tempeln wohnt, die von Menschenhand gemacht sind (siehe Apostelgeschichte 17,24). Das war etwas ganz Neues für mich. Es war eine direkte Anspielung auf die Heilige Messe und es hat viel dazu beigetragen, dass ich mich von der katholischen Tradition lösen konnte, wonach die Eucharistie der wahre Leib und das wahre Blut Christi sei.

Die Besuche bei meiner Verwandtschaft verliefen unterschiedlich. Da wir weit weg von ihnen allen wohnten, konnten wir problemlos als Christ leben ohne dass wir ihnen zuliebe in eine römisch-katholische Kirche gehen mussten. Es kam vor, dass sie mir verboten, an einer ihrer wichtigen Zeremonien teilzunehmen, weil sie wussten, dass ich den Katholizismus nicht mehr praktizierte. Ich weiss, dass Satan hinterlistig ist, aber ich lasse mich von ihm nicht dazu bringen, meinen Jesus zu verleugnen. Einigen Verwandten konnte ich erklären, dass die Gesetze der Kirche von Menschen ausgedacht wurden und dass sie somit auch von Menschen geändert werden können. Dass ich meine Gelübde nicht hielt, war keine Übertretung von einem Gesetz Gottes, sondern nur von einem menschlichen Gesetz.

Einer der Evangelisten, den wir am Fernsehen schauten, leitete ein Erholungsgelände im südlichen Florida. Als wir uns entschlossen, Chicago zu verlassen um in ein wärmeres Gebiet zu ziehen, richteten wir es so ein, dass wir einige Tage dort Urlaub machen konnten. Es waren wunderbare Tage christlicher Belehrung und Gemeinschaft. Wir sahen es als Gottes Führung, dass wir von dort in den Norden Floridas reisten, wo wir eine kleine Farm kauften. Heute wissen wir, dass der Hauptgrund, warum wir in jene Gegend zogen, darin lag, im Wort Gottes unterrichtet zu werden. Kaum waren wir in unserem neuen Zuhause angekommen, legte Gott einem jungen Mann aus Tallahassee aufs Herz, John zu unterrichten. Wir waren zwar wiedergeboren und hatten eben noch die paar Tage Unterweisung im Erholungsheim, aber grundsätzlich brauchten wir biblische Belehrung. Dieser junge Mann kam jede Woche bei uns vorbei und studierte die Bibel mit uns. Im Frühling 1981 merkte er, dass er nicht mehr zu kommen brauchte, da wir nun selber ausgerüstet waren und ohne ihn weiter wachsen sollten. Zwei oder drei Monate später zogen wir nach Hawaii für weitere Abenteuer mit Gott. Wir blieben aber während den 25 letzten Jahren herzlich mit ihm und seiner Frau befreundet. Und Gott arbeitete weiter in unserem Leben. Einer unserer liebsten Bibelverse lautet: „Erkenne Ihn auf allen deinen Wegen, so wird Er deine Pfade ebnen“ (Sprüche 3,6).

John und ich wissen, dass wir errettet und bei Jesus Christus in Sicherheit sind. Die entscheidende Frage dabei ist, ob Gottes Wort unverfälschte Wahrheit ist: „Um dich die zuverlässigen Worte der Wahrheit wissen zu lassen (Sprüche 22,21).

Wir müssen wissen, was Sache ist, wenn es um die Rettung unserer unsterblichen Seele geht. Wir hören das Erstaunen und den Lobpreis in den Worten von Paulus: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, dass ihr euch wiederum fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist der Sohnschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis zusammen mit unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind (Römer 8,15-16).

Es war der heilige Geist Gottes und niemand sonst, der unsere Wiedergeburt bewirkte. Jesus sagte es so: „Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt gar nichts“ (Johannes 6,63). Gott der Herr hat eine grossartige Rettungsaktion vollbracht. „Aufgrund seiner Barmherzigkeit [hat er uns] errettet durch das Bad der Wiedergeburt und durch die Erneuerung des Heiligen Geistes“ (Titus 3,5).

Heute leben wir in Lihue, Hawaii und wir bleiben in Gottes Gnade. Gott ist uneingeschränkt heilig. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit ihm im Reinen sind unter den Bedingungen, die Er gesetzt hat. Wende dich zu ihm, indem du auf nichts anderes vertraust als auf die Errettung, die Er selber gibt. Wenn der Heilige Geist dich überführt, wirst du wie John und ich die Stelle im Epheserbrief 2,8-9 ganz persönlich verstehen: „Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.“
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Mary Marcella McGuigan wurde am 13. Dezember 1932 in Sumner in Iowa, USA geboren und ist am 28. Oktober 2011 in Lihue, Hawaii zu ihrem Erlöser heimgegangen. Ihr Mann John folgte ihr am 13. April 2015.

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